Trümmerhaufen der Menschlichkeit

Ein Plädoyer für Wege des Herzens jenseits der Angst


Ich habe gerade unsere drei Kinder in die Schule und zur Tagesmutter gebracht. Sie alle tragen Hauben und dicke Jacken, sie haben ein sicheres und warmes Dach über dem Kopf. Sie haben Vater und Mutter, Oma und Opa. Niemand ist im Bombenhagel gestorben. Sie sind satt. Sie wachsen glücklich und behütet auf, es fehlt ihnen an nichts, im Gegenteil, manchmal habe ich den Eindruck, sie haben zu viel.

 Ich sitze im Auto und höre die morgendlichen Kurznachrichten. Von Flüchtlingsströmen und humanitären Katastrophen ist zu hören, kurz, und doch geht es heute morgen besonders unter die Haut. Tränen rinnen mir, ohne es zu wollen über die Wangen.


Ich sehe vor meinem inneren Auge die vielen, vielen Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, sie tragen keine Hauben, keine warmen Sachen. Sie sind nicht satt. Sie sind leer. Ihre Heimat ist ein Trümmerhaufen, ihr zu Hause ist kein sicheres Dach über dem Kopf. Ich sehe diese Menschen den Kummer und die Angst hinunterschlucken, in die hintersten Winkel ihrer Seele verbannen. Niemand verlässt einfach so seine Heimat, seine Freunde, seine gewohnte Umgebung mit all ihren Sitten und Gebräuchen, Ritualen und Gewohnheiten. Ich bin mir sicher, jeder, jede einzelne hat einen Grund. Und wenn es nur die Hoffnung ist.

 

 

Politik liegt mir fern, die Menschen sind mir nahe. Mein Herz bricht, wenn ich mir eingestehe, dass wir Menschen in unserer langen Geschichte noch immer nicht gelernt haben, wie ein friedliches Zusammenleben funktionieren kann. Noch immer sind Macht, Gier, Götter und die Angst die Motoren, die die Geschicke der Welt lenken. Die anderen, die anderes denken bleiben immer in der Minderheit.

 

Um mich herum höre ich auch in gut situierten Kreisen Angstparolen, Weltuntergangs-Szenarien und unangemessene Fremdenfeindlichkeit. Was sollten diese Menschen uns denn wegnehmen?

Vor kurzem habe ich die Kinderzimmer meiner Buben entrümpelt, vier Wäschekörbe mit Dingen, die sie nie vermissen werden. Unsere Kleiderschränke gehen über.

 

Ich habe keine politische Lösung parat, dafür sind die Mechanismen zu komplex. Einfache Lösungen, wie wir sie kennen, Frieden schließen, Kaputtes wieder aufbauen, Ärmel hochkrempeln, für einander da sein, Herz öffnen, angstfrei nachdenken, das kann ich anbieten.

 

Was ich aber genau verstehe, ist, dass die Werte Europas der Angst geopfert werden. Was ich sehe, ist, dass Millionen Menschen keine Heimat mehr haben. Ich sehe, dass ganze Länder auf der Landkarte ausradiert werden, dem Kampf um Macht und Einfluss geopfert. Ich erkenne, dass am Rücken eines Landes ein Konflikt ausgetragen wird, der umfassende, weltpolitische Dimensionen angenommen hat. Ich sehe, dass der Westen lieber Geld mit Waffenexporten verdient, als nach klugen und menschlichen Lösungen zu suchen.

Trotzige Sprüche, dass wir nicht alle reinlassen können, entbehren jeder Menschlichkeit, und bieten auch keinen Ausweg. Können Politiker eigentlich aus dem Herzen entscheiden oder handeln? Dürfen sie das?

Ach ja, und was wäre, wenn wir selbst auch einmal in die Lage kommen würden, im Krieg aufzuwachen?

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Charlotte (Samstag, 18 Juni 2016 10:46)

    Tat gut, deine Gedanken in mich aufzunehmen. Mit lieben Grüßen Tante Lotte!