Über Trugbilder, Idealvorstellungen und das Happy End

Oder: Wir können nur unseren eigenen Weg gehen

heartbeat of a family ...
heartbeat of a family ...

Wenn wir Menschen uns mit der Zukunft beschäftigen, umkreisen uns meist auch Trugbilder. Egal ob wir angstvoll darüber nachdenken, ob wir in ferner Zeit denn genug Wohlstand, Liebe, Herausforderung oder Anerkennung haben werden. Oder ob wir die glück- und sonnendurchfluteten Idealbilder unseres Menschenlebens heraufbeschwören. Es sind Trugbilder, die uns von der Gegenwart und auch von unserer gegenwärtigen Absicht ablenken.

Gerade heute hat mir eine Freundin gestanden, dass sie immer dachte, wenn sie den passenden Mann hätte, sie endlich glücklich sein könnte. Heute, nach 10 Tagen Hardcore-Fasten, sieht sie die Sache anders. Sie weiß, dass ihr Glück hauptsächlich von ihrer gegenwärtigen Einstellung und Absicht abhängt.

 

Doch wie ist es, wenn wir als junge Menschen erstmals den völlig irrationalen Wunsch erwecken, eine Familie zu gründen? Bauen wir diesen Wunsch auch auf Trugbildern? Worauf basiert diese Sehnsucht, Kinder zu haben, einen Rudel zu bilden, ein Clan zu sein? Wie viel davon ist Genetik und Urgeschichte? Wie viel davon ist eine innere Täuschung, die auf Bildern aus Medien, aus romantischen Romanen, aus Filmen mit Happy End kommt?

 

Es sind Bilder, die sich als tiefe Sehnsucht in uns eingebrannt haben, Bilder, die von gesunden, klugen Kindern erzählen. Bilder, die von konfliktlosen Nachmittagen am See erzählen. Es sind Geschichten von Kindern, die untereinander fest und innig verwoben sind. Geschichten, die von Kindern erzählen, die als Erwachsene auch noch gerne nach Hause kommen und am festlich gedeckten Tisch sitzen.

 

Entspringen all diese Idealvorstellungen nur dem tiefen Bedürfnis nach Glück? Und was tun wir, wenn das Glück bröckelt? Wenn das Glück nun gar nicht so aussehen will, wie wir es erträumt haben? Wenn Glück im wahren Leben einfach nur sekundenweise lupenrein sein kann?

 

Wie wir alle wissen, hat das wahre Familienleben sehr wenig mit den heraufbeschworenen Trugbildern zu tun. Familie bedeutet in erster Linie Veränderung, mehrdimensionale Veränderung. Denn Familie besteht aus vielen Individuen. Eine Familie ist wie ein kleiner Mikrokosmos, der ständiger Bewegung und Veränderung unterworfen ist. Ein atmender Organismus, der unvorhersehbar und unbeirrbar nach Entfaltung strebt, in seinen Einzelteilen und als Gesamtes.

 

Wir alle kennen Situationen oder Begebenheiten, die überhaupt nicht so sind, wie wir es erträumt haben. Niemals würden wir freiwillig wählen, dass ein Kind schwer erkrankt, niemals würden wir freiwillig Untreue oder finanzielle Not herbeisehnen. Niemand will, dass sich Teile einer Familie im Streit trennen, niemand will, dass ein Kind sich mit den falschen Menschen umgibt. Niemand will Sorge, Schmerz oder Angst. Und doch geschieht all das. Wie viel davon haben wir uns selbst eingebrockt? Wie viel davon liegt nicht in unserer Hand? Was sollen wir tun, wenn das Leben nicht in geordneten Bahnen laufen mag, sondern sich seinen eigenen Weg bahnen will?

 

Sollen wir aufgeben und das Projekt Familie zum Scheitern verurteilen? Sollen wir die Kinder zurückgeben, umtauschen und stattdessen Kaninchen halten? Wie können wir es aushalten, wenn von einem Augenblick nichts mehr so ist, wie es einmal war? Wie können wir trotzdem das Glück suchen, unsere persönlichen Träume verwirklichen oder auch nur einen entspannten Abend am Balkon genießen? Familie bedeutet wohl auch, dass es so schwer fällt, das eigene vom anderen zu trennen.

 

Tief aus dem Untergrund kommt hier vielleicht das Wort Schicksal ins Spiel. Was auch immer das ist - Karma aus früheren Leben oder einfach nur der Zufall, der listig seine Streiche spielt. Ursache und Wirkung, und doch ohne Schuld?

 

Was mir hier hilft, ist einzig die Vorstellung, dass wirklich jeder Mensch seinen bestimmten Weg gehen muss. Egal wir sehr wir lieben, egal wie sehr wir verbunden sind. Egal wie sehr wir mit den anderen mitleiden. Wir können die Wege der anderen nicht gehen.

 

Happy Ends schreibt das Leben selbst.

 

 

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